Kolumne – Gut gesagt
Die deutsche Armee trainiert im Herzen der Alpenfestung. Ein Vorgang mit Symbolcharakter: Der Bundesrat verscherbelt die Schweizer Neutralität.

Bilder und Video-Aufnahmen zeigen: Die Bundeswehr ist auf Schweizer Territorium. Deutsche Militärfahrzeuge – Erkennungszeichen: Eisernes Kreuz – sind auf Schweizer Autobahnen unterwegs – und wurden sogar auf dem Gotthard gesichtet, im Herzen der Alpenfestung und des Réduits, der Widerstandskammer gegen Hitler-Deutschland.
Man fragt sich: Was hat die Bundeswehr auf dem Boden der neutralen Schweiz zu suchen? Was machen Nato-Truppen auf unserem Territorium? Und weiter: Ist diese militärische Präsenz einer fremden Armee, die zumindest indirekt in Kriegshandlungen verwickelt ist, mit der schweizerischen Neutralität und dem Haager Abkommen von 1907, das die Rechte und Pflichten neutraler Staaten regelt, vereinbar?
Wollen wir das Eiserne Kreuz bei uns sehen?
Und selbst wenn diese Artikel nicht zum Zuge kämen, weil die Bundeswehr nicht direkt Kriegspartei in der Ukraine ist, selbst wenn es völkerrechtlich erlaubt, also legal wäre – wäre es auch legitim, wäre es politisch wünschenswert? Wollen wir das Eiserne Kreuz bei uns sehen? Steht dieses «Erkennungszeichen für Gefechts- und Luftfahrzeuge», das die Bundesrepublik nach den Preussen-Kriegen, nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg 1956 in Anlehnung an die früheren Prägungen wieder einführte, wirklich nur «für Freiheit und gegen Tyrannei», wie die Bundeswehr behauptet?
Auch militärtaktisch könnte man sich fragen, warum wir fremde Truppen ausgerechnet auf dem Gotthard willkommen heissen und in das einweihen, was man als ein gewisses Alleinstellungsmerkmal der Schweizer Armee bezeichnen könnte: die Fähigkeit zu Verteidigung und Kampfführung im Gebirge.
Das Verteidigungsdepartement (VBS) bestätigt den Sachverhalt: Die Schweizer Armee führe «im Rahmen ihrer internationalen Zusammenarbeit regelmässig gemeinsame Ausbildungs- und Übungsaktivitäten mit ausländischen Partnerstreitkräften in der Schweiz durch». Die deutsche Bundeswehr gehöre «zu den engsten Kooperationspartnern». Für diese Ausbildungs- und Übungsaktivitäten, welche auf verschiedenen Ausbildungs- und Schiessplätzen in der Schweiz durchgeführt würden, nutze die Bundeswehr «üblicherweise eigene Transportmittel».
Weiter führt das VBS aus, mit dem Kompetenzzentrum Gebirgsdienst der Armee in Andermatt verfüge die Schweiz über ein «international anerkanntes Zentrum für die Ausbildung im militärischen Gebirgsdienst». Die deutsche Bundeswehr führe «mehrmals jährlich in Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum Gebirgs- und Hochgebirgsausbildungen für ihre Soldatinnen und Soldaten durch», dies zehn- bis fünfzehnmal. Die Ausbildungen könnten in der «gesamten Gotthardregion» stattfinden.
Schweizer Truppen in der Ukraine?
Auch Soldaten anderer Staaten, etwa Frankreichs, üben in der Schweiz. Dabei geht es auch um heikle Dinge, etwa Übungen für das Verschieben fremder Truppen durch unser souveränes und neutrales Territorium.
Diese Praxis, zu Trainings- und Übungszwecken fremde Truppen ins Land zu lassen, scheint ein Zeichen, ein Symptom für die gegenwärtigen Politik von Bundesrat, Staatssekretariat für Sicherheitspolitik und Armeespitze zu sein: Sie arbeiten mit Hochdruck vor und hinter den Kulissen daran, die bewährte Neutralität auszuhöhlen. «Kooperation», lautet das Zauberwort der Internationalisten, die dabei sehr weit gehen. Sie beteiligen sich an Programmen der Nato und der EU, die – Abgrenzung zum Nordatlantik-Pakt noch unklar – ebenfalls ein Verteidigungsbündnis aufbauen und dafür Hunderte Milliarden Euro ausgeben will.
Bundesrat und Verteidigungsminister Martin Pfister hegt gar Pläne für eine Beteiligung der Schweiz an Truppeneinsätzen in der Ukraine, falls sich die EU dort engagieren wird.
Massgeschneidert für die Schweiz
Vergessen geht dabei, dass die Schweiz als neutrales Land sich zwar schon mit anderen verbünden darf, aber erst, nachdem sie angegriffen worden ist. Überhaupt ist es eines der brennenden Probleme von Gegenwart und Zukunft, dass das Verständnis für Sinn und Zweck der Neutralität bei den Politikern rasant schwindet.
Dabei ist sie massgeschneidert für unseren vielfältigen, nach allen Seiten offenen Kleinstaat. Und sichert Frieden und Wohlstand – bei uns, aber auch in der Welt. Man denke nur an die Vermittlerrolle der Schweiz und an ihre guten Dienste.
Dr. Philipp Gut
Ihre Meinung zu diesem Thema interessiert mich. Schreiben Sie mir per Mail an: philipp.gut@schweizerkombi.ch






